DOKKEN
+ KINGDOM COME

3. Oktober 2007 –
Augsburg, Spectrum


Ein Hoch auf die Bayern: Die führen nämlich – und das schreibt ein starker Nichtraucher – die überzogen-restriktive Gesetzgebung zum Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten erst zum 1. Januar 2008 ein (noch dazu mit vernünftigen Ausnahmeregelungen). Dementsprechend kann sich der passionierte Kettenraucher Don Dokken Luxus leisten, seine Stimmpflege per Glimmstängel hier und heute auf offener Bühne zu zelebrieren. In Baden-Württemberg ist diese komische Verordnung bereits gültig. Deswegen musste der Don während seines Auftritts in der Rockfabrik Ludwigsburg bei Stuttgart in der Woche zuvor seinem Gitarristen John Levin öfter mal das Zeichen zu exzessiven Soli geben, um selbst von der Bühne zu verschwinden und wenigstens Backstage etwas frischen blauen Dunst atmen zu können. Doch auch hier im Regierungsbezirk Schwaben des Freistaates Bayern hätte seine Stimme exzessivere Pflege nötig gehabt. Aber der Reihe nach.


Lenny Wolf und seine stark umformierten „Condome Kings“ machen in ihrer Anheizerrolle einen erstaunlich frischen Eindruck und zelebrieren ihren eigentlich eher Blues-lastigen und locker-flockigen Hard Rock in einer ungeahnt schwerfälligen Variante. Dabei greift der Sänger oft selbst zur Sechsaitigen, erweist sich mit Otto-Walkes-verdächtiger Sprechstimme immer wieder als unterhaltsamer Conferencier und gewinnt – passend zum Tag der deutschen Einheit – dem Mauerfall gute Seiten ab: „Darf ich vorstellen – unser Ossi am Bass: Frank Binke, ein wahres Tier an den tiefen Saiten!“ (Foto: siehe unten - des Weiteren wird der Hamburger Jung von Hendrik Thiesbrummel an den Drums und Eric Förster an der Gitarre assistiert). Musikalisch stimmt ebenfalls alles: Ob stark Led-Zeppelin-lastig in einer ausgedehnten Blues-Interpretation oder später im mit Fuzz-Gitarren durchsetzten ‘Pushing Hard’, ob in einer Art Fusion-Mix der Depeche-Mode-meets-
Black-Sabbath-Couleur (‘Twilight Cruiser’), ob in einer dermaßen zähflüssigen Gangart, dass dagegen selbst Magma noch einen gen Null strebenden Viskositätsfaktor zu besitzen scheint (‘Should I’), oder einfach nur erdig AC/DC-mäßig rockend (‘Do You Like It’) – der Vierer verkörpert die personifizierte Spielfreude. Ergo: Mit diesem Auftritt haben sich Kingdom Come eindrucksvoll
zurückgemeldet.

Playlist KINGDOM COME
Gotta Move Now
Only Rainbows
Get It On
Mother
Ain’t Crying
Slow Down
Should I
Blues
Twilight Cruiser
Living Out Of Touch
------
Puhing Hard
Do You Like It
Always

















Das kann selbst der größte Dokken-Fanatiker mit allerbestem Willen lediglich bezüglich der Playlist behaupten: Der US-Vierer brennt ein Best-of-Greatest-Hits-Feuerwerk ab, dass bis auf das fehlende ‘Unchain The Night’ kaum Wünsche offen bleiben. Die Stimme des Dons (Foto oben) ist aber – deutlich hörbar beim total verkrächzten ‘Kiss Of Death’ und dem völlig vergeigten ‘Into The Fire’ – bis zum Anschlag-Dickdarm im Arsch. Wenigstens reißt seine Saiten-Front das Eisen noch einigermaßen aus dem Feuer: Barry Sparks (Foto rechts) erweist sich ebenfalls als Tier am Bass, und Gitarrist John Levin (Foto unten) brilliert mit Licks und Solo-Einlagen der Extraklasse. Doch der Chef selbst bewegt sich nach wie vor in stimmlichen Regionen jenseits von Gut und Böse: ‘The Hunter’? Die blanke Katastrophe. ‘Breakin’ The Chains’? Hätte sogar ich besser gesungen, und ich möchte von mir wahrlich nicht behaupten, dass ich ohne Gesangsstunden die Veranlagung zu einem annehmbaren Shouter hätte (aber wenn man andererseits all die hoch gelobten New-Metal- und Metalcore-Kasper sieht, kommt es darauf
heutzutage wohl auch nicht mehr an). Erst nach dem verhältnismäßig rüden ‘Paris Is Burning’ konsolidiert sich die Stimme des 54-Jährigen einigermaßen. Gründe für dieses Desaster? Einige Herrschaften in den vorderen Reihen stellen ungläubig fest, dass die zum Showstart noch recht volle Jackie-Flasche in Rekordschnelle immer leerer wird. Und tatsächlich - immer wenn sich der Don mit seinem Spezl Mick Brown (der immerhin schon seit 1979 dabei ist), verstärkt einen verbalen Schlagabtausch liefert, indiziert das dem Kenner der Materie: Hier herrscht jetzt richtig Partystimmung vor. Lustig dann, dass der Ami seine berühmte, fast zehnminütige, psychedelisch angehauchte Kiffer-Jam unter der Überschrift ‘Too High To Fly’ mit Warnungen vor zu großem Alkoholmissbrauch und Konsum anderer ansonsten rezeptpflichtiger Substanzen ankündigt. Bringen wir’s so auf den Punkt: tolle Band, fantastische Playlist und ein geduldiges Publikum, das dem – vorsichtig ausgedrückt – indisponierten Frontmann trotz alledem Respekt zollt. Vielleicht auch ein typischer Fall von ‘In My Dreams’. Dort lautet eine Textzeile: „In my dreams it’s still the same – your love is strong, it still remains.“ Wenn man weiß, dass Dokken vor ihrem Split Ende der Achtziger regelmäßig vor ausverkauften Arenen mit bis zu 100.000 Zuschauern auftraten und sich der einstige Super-Star heutzutage mit 200 Augen- und Ohrenpaaren begnügen muss, kann man/frau verstehen, dass sich der gute Mann ab und an mal voller Frust und Desillusionierung in berauschende Träume und Erinnerungen an die traumhaften Zeiten flüchtet. Seine Songs werden deswegen ja nicht schlechter. Und ein neues Album soll Anfang 2008 auch erscheinen. Das trägt nicht umsonst den Arbeitstitel LIGHTING STRIKE AGAIN. Obwohl – mir wäre da in Anlehnung an das 1987 erschienene Meisterwerk BACK FOR THE ATTACK ein viel besserer Titel eingefallen: ATTACK FROM THE BACK …


Playlist DOKKEN

Kiss Of Death
Into The Fire
Dream Warrior
The Hunter
Breakin’ the Chains
Paris Is Burning
Alone Again
Too High To Fly
Sunless Days
Just Got Lucky
Heaven Comes Down
It’s Not Love
-----
Toot N’Nail
In My Dreams