SALTATIO MORTIS
+ VERMALEDEYT

Memmingen
15. November 2008


Mittelalter und Memmingen – das gehört zusammen wie Bier und Bayern oder löchriger Käse und Helvetia. Nicht umsonst finden in Memmingen alle vier Jahre – zuletzt in Juni 2008 – die Wallenstein-Festspiele statt, Europas größtes und authentischstes Historien-Spektakel schlechthin. Da verwundert es nicht, dass das 50.000-Seelen-Städtchen mit Vermaledeyt ein Ensemble aufbieten kann, das sich mittelalterlichem Folk Rock verschrieben hat und diesen auch naturgetreu auf der Bühne zelebriert.

Instrumentierung (etwa 40 verschiedene, originaltreue Musikantenwerkzeuge), Gewänder, Habitus – die Memminger bieten Spielmannskunst vom Feinsten, wobei ihr Repertoire von (O-Ton MySpace) „uralten Weisen aus dem Orient und dem Okzident bis hin zu modernen Interpretationen mittelalterlicher Musik“ reicht. Das kommt bei den etwa 600 Zuschauern vorzüglich an – das Kaminwerk ist gefüllt wie selten bei Live-Konzerten, dementsprechend macht sich schon nach wenigen Minuten eine Saune-Atmosphäre breit, die selbst finnischen Hygiene-Fetischisten den Atem verschlagen würde. Und das qualifiziert die Truppe zum perfekten Support von Saltatio Mortis.


Das achtköpfige Ensemble aus dem Raum Karlsruhe/Frankfurt am Main gestattet sich allerdings – im Gegensatz zu den Allgäuern - den „modernen“ Luxus, auch zur E-Gitarre und zum Bass zu greifen. Dies allerdings im Hintergrund: Gemeinsam mit dem Drummer sind die entsprechenden Herrschaften im zweiten Glied postiert, während Frontmann Alea der Bescheidene gemeinsam mit je zwei Mann an seiner Seite (die das übliche Instrumentarium bedient: Drehleier, Laute, Dudelsäcke, Tröten, et cetera) in vorderster Linie eine massive Linie bildet und die Show forciert. Alea vollführt oft sehenswerte Sprünge wie Rumpelstielzchen, weiß souverän durch das Programm zu leiten – und wird dafür von seinem Publikum (in den ersten drei Reihen vornehmlich Girlies, wie sie der abgeklärte Konzertbesucher eher bei Tokyo Hotel & Co. erwarten würde) gottgleich angebetet.

Auch musikalisch gehen die Jungs entschieden rustikaler zur Sache: Im Mittelalter würde ihre erdige Mischung aus rauem Rock’n’Roll und Spielmannsweisen wohl als Punk durchgehen. Das kulminiert in solchen Hymnen wie ’Uns gehört die Welt’, ’Worte’ oder ’Spielmannsschwur’. Und Alea würde mit seinen gehaltvollen Ansagen im Mittelalter wohl zu den Star-Moderatoren an jedem Königshofe zählen: „Findet ihr nicht auch, dass gerade in diesem Lande gilt: Der Worte sind genug gewechselt – lasst und endlich Taten sehen!“ Oder: „Mädels – gönnet uns Männern etwas! Werfet Eure Oberteile auf die Bühne! Und Ihr könnt zeigen, dass Ihr keines Herren Knechte seid!“








Damit rennen die Herren der Schöpfung bei ihrem Publikum offene Burgtore eine – im Kaminwerk herrscht eine ausgelassen-freudige Stimmung, als würden die Bayern in der Allianz-Arena 0:4 zurückliegen. Kaum merklich streuen die Rocker drei Songs in ihr Programm ein – um diese für das neue, im Frühjahr einzuspielende nächste Album auf Live-Tauglichkeit zu testen. Der Abend findet nach ’Spielmannsschwur’ (in der Zugabe fortgesetzt) und ’Dunkler Engel’ ein vorläufiges Ende – das euphorisierte Publikum fühlt sich, wie im Refrain von ’Uns gehört die Welt manifestiert: „Euch gehört ein Sack voll Geld, doch uns – UNS gehört die Welt!“



Die Betonung liegt auf „Vorläufiges Ende“: Denn eine halbe Stunde nach Veranstaltungsschluss nimmt die spontane Party im Kreise von etwa 50 Die-Hard-Fans ihren Lauf. Strategisch günstig am Tresen des Kaminwerks postiert und durch Freidrinks bestochen, werden auf Zuruf weitere Weisen durch den mittelalterlichen Kakao gezogen – unter anderem ’We Will Rock You’ von Queen und der Urieah-Heep-Evergreen ’Lady In Black’. Ich sag nur eins Wahnsinn! Wahnsinn! Diese Aktion schreit nach Wiederholung. Spätestens im Rahmen der nächsten Tour!




Setlist SALTATIO MORTIS

Varulfen
Tritt ein
Falsche Freunde
Uns gehört die Welt
Vergessene Götter (*)
Koma
Ebenbild (*)
Tod und Teufel
Worte
Irgendwo in meinem Geiste
Choix des Dames
Equinox
Sieben Raben
Salz der Erde
Wirf den ersten Stein
Keines Herren Knecht
Prometheus
Spielmannsschwur
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Spielmannsschwur
Salome (*)
Dunkler Engel

(*)= neue, bisher
unveröffentlichte Songs